Lernziele
Nach dieser Lerneinheit kannst du:
Täglich führen wir eine Vielzahl an Bewegungen aus: beim Gehen, Greifen, Sprechen und sogar beim Lachen. Hinter jeder dieser Bewegungen steckt die Koordination von Millionen Nervenzellen, die sicherstellen, dass zur richtigen Zeit die richtigen Muskeln kontrahieren. So wird nicht nur die geplante Bewegung umgesetzt, sondern auch während der Ausführung überprüft und feinjustiert.
Wenn wir uns entschließen, eine Bewegung auszuführen, sendet das Gehirn motorische Befehle an die Muskeln. Diese gelangen über zwei große absteigende Bahnen in Richtung Peripherie:
Neben der Aktivierung der Muskulatur sind weitere Hirnareale an der Steuerung von Bewegungen beteiligt. Die Planung von Bewegungen wird in den sekundär motorischen Arealen (prämotorischer und supplementärmotorischer Kortex) verfeinert. Diese Areale stehen dabei in enger Verbindung mit:
Vor allem das Kleinhirn überwacht die Bewegungen während ihrer Ausführung. Es vergleicht die vom Kortex gesendeten Befehle mit den tatsächlich ausgeführten Bewegungen, die über sensorische Rückmeldungen erfasst werden. Abweichungen werden sofort über Rückkopplungen an den Kortex und das extrapyramidale System korrigiert.
Zusammen mit den Reflexbögen des Rückenmarks entsteht so ein Regelkreis, der sicherstellt, dass Bewegungen geplant, ausgeführt und kontrolliert ablaufen.
Die Planung und Initiation einer Bewegung umfasst die Auswahl der passenden motorischen Handlung, um das gewünschte Ziel, also die Bewegung, zu erreichen. Die wichtigsten Strukturen und Bahnen, die daran beteiligt sind, sind in den folgenden Abbildungen beschrieben.
Die Bewegungsausführung umfasst die Aktivierung absteigender Bahnen, die die motorischen Signale vom Gehirn zu den Muskeln leiten. Die wichtigsten Strukturen und Leitungsbahnen sind in den folgenden Darstellungen abgebildet.
Die Pyramidenbahnen entspringen dem motorischen Kortex und steuern vor allem willkürliche Bewegungen.
Die extrapyramidalen Bahnen entspringen dem Hirnstamm und sind hauptsächlich an der Steuerung unwillkürlicher Bewegungen beteiligt.
Der Tractus rubrospinalis entspringt dem Nucleus ruber, kreuzt unmittelbar danach und verläuft durch Pons und Medulla oblongata, um in das laterale Mark des Rückenmarks einzutreten. Dort bildet er Synapsen mit den unteren Motoneuronen auf allen Ebenen des Rückenmarks. Er trägt zur Regulation des Muskeltonus der Extremitäten und zur Feinabstimmung unwillkürlicher Bewegungen bei.
Der Tractus tectospinalis entspringt dem Colliculus superior des Mittelhirns und erreicht die unteren Motoneurone der Halssegmente. Er vermittelt reflexartige Haltungsveränderungen des Kopfes als Antwort auf visuelle und akustische Reize.
Der Tractus reticulospinalis entspringt der Formatio reticularis. Man unterscheidet einen lateralen Trakt (Tractus reticulospinalis lateralis), der aus der Formatio reticularis der Medulla oblongata hervorgeht und im Seitenstrang des Rückenmarks verläuft, sowie einen medialen Trakt (Tractus reticulospinalis medialis), der aus der Formatio reticularis des Pons entspringt und im Vorderstrang verläuft. Beide Bahnen ziehen durch die gesamte Länge des Rückenmarks. Sie erhalten Signale aus verschiedenen Hirnarealen, unter anderem aus dem prämotorischen und supplementärmotorischen Kortex, und sind wesentlich an der Kontrolle von Haltung und Muskeltonus beteiligt.
Der Tractus vestibulospinalis wird ebenfalls in einen lateralen und einen medialen Anteil unterteilt. Der laterale Trakt entspringt dem Nucleus vestibularis lateralis und verläuft im Vorderstrang des Rückenmarks bis in die unteren Segmente des Lumbosakralmarks. Der mediale Trakt entspringt dem Nucleus vestibularis medialis und zieht im Fasciculus longitudinalis medialis bis etwa zur mittleren Höhe des Thorax. Beide Bahnen werden durch das vestibuläre System und das Kleinhirn reguliert und aktivieren vor allem die Muskulatur, die Haltung und Gleichgewicht stabilisiert. Der mediale Trakt steuert darüber hinaus die Nackenmuskulatur.
Der Vollständigkeit halber sei auch der Tractus olivospinalis erwähnt, der in manchen Quellen dem extrapyramidalen Systems zugeordnet wird. Seine Existenz ist jedoch sehr umstritten.
Bewegungskontrolle meint die fortlaufende Beurteilung und Korrektur einer bereits ausgeführten Bewegung. Die wichtigsten beteiligten Strukturen und Bahnen sind in den folgenden Bildern dargestellt.
Mit dem folgenden Quiz kannst du dein Wissen über die Steuerung und Kontrolle von Bewegungen durch Hirnstamm und Kortex testen.
Phasen |
Planung und Initiation: Erstellen, Überarbeiten und Auswählen des motorischen Plans Ausführung: Weiterleitung motorischer Signale an die Muskulatur Überwachung: Andauernder Vergleich zwischen geplanter und tatsächlich ausgeführter Bewegung |
Planung der Bewegung |
Prämotorischer und supplementärmotorischer Kortex: Erhalten afferente Signale aus dem präfrontalen Kortex, dem somatosensorischen Kortex, dem Pontocerebellum und den Basalganglien. |
Initiation der Bewegung | Basalganglien: Die direkte Bahn fördert die Bewegung, während die indirekte und die hyperdirekte Bahn unbeabsichtigte Bewegungen hemmen. |
Ausführung der Bewegung |
Absteigende Bahnen: Die oberen Motoneurone entspringen dem Motorkortex (vor allem dem primär motorischen Kortex) und den Kernen des Hirnstamms. Die unteren Motoneurone bilden die Hirn- und Spinalnerven. Pyramidenbahn: Willkürliche Aktivierung der Muskulatur. Extrapyramidale Bahnen: Unwillkürliche Aktivierung der Muskulatur. |
Pyramidenbahn |
Tractus corticonuclearis: Motorkortex > motorische Hirnnervenkerne im Hirnstamm > Hirnnerven. Innerviert die Muskulatur oberhalb des Halses (einschließlich mimischer und phonetischer Muskulatur) Tractus corticospinalis: Motorkortex > Vorderhorn des Rückenmarks > Spinalnerven. Innerviert die Muskulatur unterhalb des Halses. Lässt sich einteilen in: Tractus corticospinalis lateralis: Kreuzt in der Medulla oblongata und ist hauptsächlich für feinmotorische Bewegungen der Extremitäten zuständig. Tractus corticospinalis anterior: Kreuzt im Rückenmark und ist hauptsächlich für Bewegungen der axialen Muskulatur zuständig. |
Extrapyramidale Bahnen |
Tractus rubrospinalis: trägt zur Regulation des Muskeltonus der Extremitäten und zur Feinabstimmung unwillkürlicher Bewegungen bei. Tractus tectospinalis: vermittelt reflexartige Haltungsveränderungen des Kopfes als Antwort auf visuelle und akustische Reize. Tractus reticulospinalis: zuständig für Haltung und Muskeltonus. Tractus vestibulospinalis: Gleichgewicht, Haltung, Nackenmuskulatur. |
Kontrolle der Bewegungen |
Kleinhirn: Vergleicht die beabsichtigte mit der ausgeführten Bewegung und korrigiert motorische Signale Wichtige Eingänge: Absteigende motorische Befehle, sensorische Informationen aus aufsteigenden Bahnen sowie Informationen zum Gleichgewicht aus dem vestibulären System Wichtige Projektionen: Zum Motorkortex und zum extrapyramidalen System Vestibulocerebellum: zuständig für Gleichgewicht & Blick. Spinocerebellum: zuständig für Tonus & Haltung. Pontocerebellum: zuständig für Zielmotorik & Feinkoordination. |
Läsionen der Basalganglien |
Symptome: Schwierigkeiten bei der Initiation von Bewegungen Schwierigkeiten bei der Unterdrückung unbeabsichtigter Bewegungen, Tremor in Ruhe, Rigor |
Läsionen der absteigenden Bahnen |
Unteres Motoneuron: schlaffe Lähmung, herabgesetzte Reflex Oberes Motoneuron (oberhalb der Decussatio): spastische Lähmung und gesteigerte Reflexe, hauptsächlich kontralaterale Einschränkungen Oberes Motoneuron (unterhalb der Decussatio): spastische Lähmung und gesteigerte Reflexe, hauptsächlich ipsilaterale Einschränkungen |
Läsionen des Kleinhirns | Symptome: langsame und unpräzise Bewegungen, Intentionstremor, Gleichgewichtsstörungen |
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