Postsynaptische Potentiale
Postsynaptische Potentiale beschreiben Veränderungen des Ruhepotentials an der Zellmembran postsynaptischer Neurone, die durch die chemische Signalübertragung an der Synapse ausgelöst werden. Im Ruhezustand ist die Membran der Nervenzelle polarisiert, was bedeutet, dass es einen Ladungsunterschied zwischen der intra- und der extrazellulären Seite der Membran gibt. Die Innenseite ist dabei im Vergleich zur Außenseite negativ geladen. Dieser Ladungsunterschied wird auch als Membranpotential bezeichnet und stellt einen dynamischen Zustand dar. Sinkt das Membranpotential, wird dies als Depolarisation bezeichnet, während eine Erhöhung auch Hyperpolarisation genannt wird. Solche Änderungen des Membranpotentials werden an der Synapse von der präsynaptischen zur postsynaptischen Zelle übertragen, indem postsynaptische Potentiale generiert werden. Dabei entstehen entweder exzitatorische oder inhibitorische postsynaptische Potentiale, je nachdem, ob das Signal die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Aktionspotentials erhöht oder senkt.
In diesem Artikel geht es um die Physiologie, Funktion und klinische Relevanz der verschiedenen postsynaptischen Potentiale.
Definition | Postsynaptische Potentiale bezeichnen Potentialveränderungen an der postsynaptischen Zellmembran, ausgelöst durch das Eintreffen eines Signals. |
Arten | Exzitatorische postsynaptische Potentiale (EPSPs) Inhibitorische postsynaptische Potentiale (IPSPs) |
Exzitatorische postsynaptische Potentiale (EPSPs) |
Entstehen hauptsächlich durch die Bindung von Neurotransmittern an für Na+ und Ca2+ selektiven ionotropen Rezeptoren. Aktivierung dieser Rezeptoren führt zum Einstrom positiv geladener Ionen in die postsynaptische Zelle. Generierung einer Depolarisation der postsynaptischen Membran. Weiterleitung der Depolarisation als graduiertes Potential an die angrenzenden Membranregionen. Wichtigster Neurotransmitter: Glutamat |
Inhibitorische postsynaptische Potentiale (IPSPs) |
Entstehen hauptsächlich durch die Bindung von Neurotransmittern an für K+ oder Cl-. Aktivierung dieser Rezeptoren führt zum Ausfluss positiv geladener Ionen aus, bzw. positiv geladener Ionen in die postsynaptische Zelle. Generierung einer Hyperpolarisation der postsynaptischen Membran. Weiterleitung der Hyperpolarisation als graduiertes Potential an die angrenzenden Membranregionen. Wichtigste Neurotransmitter: GABA (Gehirn) und Glycin (Rückenmark) |
- Funktion einer Synapse
- Graduiertes Membranpotential
- Exzitatorisches postsynaptisches Potential (EPSP)
- Inhibitorisches postsynaptisches Potential (IPSP)
- Summation postsynaptischer Potentiale
- Exzitatorisch oder inhibitorisch
- Klinik
- Literaturquellen
Funktion einer Synapse
Synapsen sind wichtige Strukturen, die es Neuronen ermöglichen, Signale an andere Neurone oder Effektorzellen (z.B. Muskeln, Drüsen) zu übertragen. Es wird unterschieden zwischen elektrischen und chemischen Synapsen, wobei letztere deutlich häufiger im menschlichen Nervensystem vorkommen. Eine chemische Synapse besteht aus einer präsynaptischen und einer postsynaptischen Membran sowie dem dazwischenliegenden synaptischen Spalt. Das eintreffende Signal des präsynaptischen Neurons initiiert an dessen präsynaptischer Membran die Signalübertragung. Umgekehrt empfängt das postsynaptische Neuron das Signal an seiner postsynaptischen Membran.
Ein eintreffendes Signal löst an der präsynaptischen Membran die Freisetzung von Neurotransmittern mittels Exozytose in den synaptischen Spalt aus. Die postsynaptische Membran weist eine hohe Dichte an Rezeptoren auf, darunter sowohl ligandengesteuerte Rezeptoren (ionotrope Rezeptoren) als auch G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (metabotrope Rezeptoren). Unabhängig vom Rezeptortyp verändert die Bindung des Neurotransmitters die Permeabilität der postsynaptischen Membran gegenüber bestimmten Ionen. Dadurch kommt es zum Ionenfluss in Richtung intra- oder extrazellulär, was zu einer Depolarisation oder einer Hyperpolarisation der Membran führt.
Graduiertes Membranpotential
Im zentralen Nervensystem bestehen die meisten chemischen Synapsen aus zwei Komponenten: der präsynaptischen Endigung eines Axons und der postsynaptischen Membranstruktur. Letztere kann entweder den kleinen Fortsätzen eines Dendriten (Spines) oder dem Dendriten selbst entsprechen. Diese Bereiche der neuronalen Zellmembran enthalten typischerweise keine spannungsgesteuerten Ionenkanäle und sind daher nicht in der Lage, Aktionspotentiale zu erzeugen. Die Aktivierung der ionotropen und metabotropen Rezeptoren kann jedoch, wie bereits erwähnt, zur Entstehung einer Depolarisation führen. Diese Veränderungen des Membranpotentials an der postsynaptischen Membran führen zur Ausbreitung graduierter Potentiale. Die Ausbreitung dieser Potentiale erfolgt konzentrisch vom Entstehungsort der Depolarisation auf benachbarte Bereiche der Zellmembran. Der Unterschied zur Ausbreitung eines Aktionspotential liegt darin, dass die Amplitude eines graduierten Potentials im Gegensatz zu der von Aktionspotentialen variieren kann und im Laufe der Zeit und der zurückgelegten Distanz exponentiell abnimmt. Außerdem spielt sich die Ausbreitung komplett unabhängig von spannungsgesteuerten Ionenkanälen ab. Diese Form der schnellen elektrischen Signalweiterleitung wird auch als elektrotonisch bezeichnet.
Exzitatorisches postsynaptisches Potential (EPSP)
Exzitatorische (erregende) postsynaptische Potentiale entstehen, wenn an der präsynaptischen Membran freigesetzte Neurotransmitter an Rezeptoren der postsynaptischen Membran binden und dort eine Depolarisation auslösen. Der wichtigste Neurotransmitter erregender Synapsen im zentralen Nervensystem ist Glutamat. Die Depolarisation der postsynaptischen Membran erfolgt vorrangig durch die Aktivierung ionotroper Rezeptoren, die für bestimmte Kationen (Na+ und Ca2+ ) durchlässig sind. Dadurch kommt es zu einem Einstrom von Na+ und einem Ausstrom von K+ aus der postsynaptischen Zelle. Da die chemische Triebkraft des Na+ höher ist, entsteht somit ein positiver Netto-Einwärtsstrom. Infolgedessen kommt es zu einer Veränderung des postsynaptischen Potentials, die man als Depolarisation bezeichnet. Dabei steigt das Membranpotential vom Ruhemembranpotential von etwa -70 mV in Richtung 0 mV an.
Exzitatorische postsynaptische Potentiale werden nur in bestimmten Bereichen der neuronalen Membran, die Synapsen bilden, ausgelöst und breiten sich von hier aus als graduierte Potentiale in benachbarte Regionen aus. Wenn die Depolarisation am Axonhügel eintrifft und die benötigte Schwelle überschreitet, dann löst sie ein Aktionspotential aus, das sich über das gesamte Neuron ausbreitet. Synapsen, die eine solche Depolarisation auslösen, werden als exzitatorisch definiert, und die resultierende Wirkung auf die postsynaptische Membran wird als exzitatorisches postsynaptisches Potential (EPSP) bezeichnet. Neben ionotropen Rezeptoren können auch metabotrope Rezeptoren EPSPs erzeugen. Sie aktivieren über sekundäre Botenstoffe (“second messenger”) intrazelluläre Signalwege, die wiederum Kationenkanäle auf der postsynaptischen Membran öffnen oder schließen.
Neuromuskuläre Endplatte
Eine spezielle Form der exzitatorischen Synapse ist die neuromuskuläre (motorische) Endplatte. Sie besteht aus einem stark verzweigten präsynaptischen α-Motoneuron, dem synaptischen Spalt und der aufgefalteten Membran der postsynaptischen Skelettmuskelzelle. Die Aufzweigungen eines Neurons steuern dabei mehrere Muskelfasern an und bilden so einen Komplex, der als motorische Einheit bezeichnet wird. Wie bei den neuronalen exzitatorischen Synapsen binden auch hier Neurotransmitter, in diesem Fall Acetylcholin, an ionotrope Rezeptoren der postsynaptischen Membran. Im Vergleich zu den chemischen Synapsen zwischen zwei Neuronen ist die Ausschüttung der Neurotransmitter und die Menge der postsynaptischen Rezeptoren jedoch sehr hoch, sodass es fast immer zu einer Depolarisation der postsynaptischen Membran kommt. Dies wird als exzitatorisches Endplattenpotential (EPP) bezeichnet. In der Folge öffnen sich spannungsgesteuerte Natriumkanäle, die ein Muskelaktionspotential auslösen und somit zu einer Muskelkontraktion führen.
Inhibitorisches postsynaptisches Potential (IPSP)
Ähnlich wie bei exzitatorischen Synapsen werden auch an inhibitorischen (hemmenden) Synapsen Neurotransmitter von der präsynaptischen Membran freigesetzt, die an Rezeptoren der postsynaptischen Membran binden. Der wichtigste inhibitorische Neurotransmitter im Gehirn ist GABA, während im Rückenmark hauptsächlich Glycin vorkommt. Diese Neurotransmitter aktivieren meist ionotrope Rezeptoren an der postsynaptischen Membran, die in diesem Fall selektiv durchlässig für Cl- und K+ sind. Durch deren Aktivierung kommt es zu einem Ionenfluss entlang ihrer jeweiligen chemischen Gradienten. Das bedeutet, dass Cl--Ionen in die Zelle einströmen, während K+-Ionen aus der Zelle herausströmen. Dies führt jeweils zu einer Verstärkung der negativen Ladung an der Innenseite der postsynaptischen Membran, was als Hyperpolarisation bezeichnet wird. Diese Hyperpolarisation breitet sich passiv als graduiertes Potential auf benachbarte Membranbereiche aus und nimmt mit der Zeit und Entfernung vom Entstehungsort allmählich ab. Erreicht die Hyperpolarisation den Axonhügel des Neurons, wird die Wahrscheinlichkeit, dass das Schwellenpotential für die Auslösung eines Aktionspotentials erreicht wird, deutlich verringert . Dies wird als inhibitorisches postsynaptisches Potential (IPSP) bezeichnet. Neben den ionotropen Rezeptoren, die einen direkten Einfluss auf die Permeabilität der Ionenkanäle haben, spielen auch metabotrope Rezeptoren eine Rolle bei der Erzeugung postsynaptischer Potentiale. Diese Rezeptoren sind in der Regel G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die entweder direkt die Öffnung ihrer Ionenkanäle auslösen oder indirekt über sekundäre Botenstoffe (“second messenger”) die Konformation anderer Ionenkanäle modulieren. Dadurch ist ihre Wirkung zwar langsamer als die der ionotropen Rezeptoren, allerdings können sie eine Verstärkung des Signals auslösen.
Summation postsynaptischer Potentiale
Es ist wichtig zu wissen, dass die Wirkung einer einzelnen Synapse auf ein Neuron im Gehirn in der Regel nicht ausreicht, um dieses allein zu aktivieren oder zu hemmen. Postsynaptische Potentiale breiten sich, wie bereits erwähnt, vom Entstehungsort in Richtung Zellkörper aus. Dabei schwächt das Signal jedoch allmählich ab und unterschreitet meist deutlich die benötigte Schwelle zur Auslösung eines Aktionspotentials, bevor es den Axonhügel erreichen kann. Im zentralen Nervensystem erhalten Neurone jedoch gleichzeitig tausende Impulse aus Synapsen, die sie mit anderen Neuronen eingehen. Das Ergebnis, also ob eine Depolarisation oder eine Hyperpolarisation ausgelöst wird, hängt von der räumlichen und zeitlichen Summation dieser postsynaptischen Potentiale am Axonhügel ab. Führt deren kombinierte Wirkung am Axonhügel zu einer Depolarisation, die den Schwellenwert überschreitet, wird ein Aktionspotential ausgelöst. Überwiegt dagegen die inhibitorische Wirkung, bleibt das postsynaptische Neuron inaktiv.
Exzitatorisch oder inhibitorisch
Die Einordnung der Neurone, Neurotransmitter und Synapsen als exzitatorisch oder inhibitorisch hängt von der Wechselwirkung des Neurotransmitters mit spezifischen Rezeptoren der postsynaptischen Membran ab. Das bedeutet, dass vor allem die Art des Rezeptors und seine Reaktion auf die Aktivierung durch einen Neurotransmitter darüber entscheiden, welches postsynaptische Potential entsteht. Bindet der Neurotransmitter Dopamin im Gehirn an D1-Rezeptoren, werden exzitatorische Potentiale an der postsynaptischen Membran ausgelöst. Bindet derselbe Neurotransmitter jedoch an D2-Rezeptoren, dann führt dies zur Entstehung inhibitorischer postsynaptischer Potentiale.
Klinik
Neurodegenerative Erkrankungen
Das Gleichgewicht zwischen exzitatorischen und inhibitorischen Signalen in Neuronen ist essentiell für die Funktion der neuronalen Netzwerke des Gehirns. Störungen dieses Gleichgewichts können die Entstehung unterschiedlicher pathologischer Mechanismen begünstigen, die wiederum die Degeneration neuronaler Schaltkreise auslösen können. Insbesondere eine Überaktivierung (Exzitation) kann zu einer neuronalen Dysfunktion, bis hin zur Apoptose der Nervenzellen führen. Dieses Phänomen wird als Exzitotoxizität bezeichnet.
Ein bekanntes Krankheitsbild, bei dem ein solches Ungleichgewicht entsteht, ist die Alzheimer-Krankheit. Besonders in den frühen Krankheitsstadien wurde beobachtet, dass Neurone der Pyramidenbahnen im Hippocampus und im Neokortex vermehrt aktiviert werden. Weitere Beispiele sind das Parkinson-Syndrom und Chorea Huntington, bei denen es zu einem Ungleichgewicht zwischen exzitatorischen und inhibitorischen Impulsen im Striatum kommt.
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