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Okzipitallappen und Sehrinde

Videoempfehlung: Nervus opticus [13:32]
Nervus opticus und Sehbahn.

Der Okzipitallappen (Hinterhauptlappen) ist der hintere Anteil des Telencephalon (End- oder Großhirn). Er beinhaltet überwiegend Areale, die der Verarbeitung und Integration visueller Informationen dienen. Seine neokortikalen Anteile werden daher auch als Sehrinde (primärer und z.T. auch sekundärer visueller Kortex) zusammengefasst.

Kurzfakten
Lage Liegt zusammen mit dem Kleinhirn in der hinteren Schädelgrube 
Funktionen  Wahrnehmung von visuellen Eindrücken 
Interpretation der Seheindrücke 
Versorgung  A. cerebri posterior 
Vv. superficiales ascendentes cerebri
Vv. superficiales descendentes cerebri 
Inhalt
  1. Topographie und Aufbau
    1. Funktionelle Gliederung
  2. Funktion der Sehrinde und Wahrnehmung
  3. Sehrinde und psychoaktive Substanzen
  4. Literaturquellen
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Topographie und Aufbau

Die Sehrinde liegt kranial des Cerebellums (Kleinhirn) und beinhaltet die Brodmann-Areale 17, 18 und 19. Areal 17, auch als V1 oder Area striata bezeichnet, beinhaltet den primären visuellen Kortex, welcher die Endigungsstätte der Sehstrahlung darstellt. Sie ist reich an Körnerzellen und arm an Pyramidenzellen. Die innere Körnerschicht (Schicht IV) wird durch eine zellarme Zone, den makroskopisch sichtbaren Gennari-Streifen, geteilt.  Dieser beinhaltet die Meynert-Zellen, eine spezielle Sorte besonders großer Pyramidenzellen. Vom Brodmann-Areal 17 gelangen die visuellen Impulse zum Areal 18 (V2), dem sekundären visuellen Kortex (Area parastriata), welcher die Bilddaten der Netzhaut verarbeitet. Area striata und parastriata werden durch den Gennari-Streifen scharf voneinander abgetrennt.

Vom sekundären Kortex erfolgt die Weiterleitung zum tertiären (V3) und quartären (V4), beide sind Teil des Areal 19. Ebenfalls ein Teil vom Areal 19 ist V5, auch als quintärer visueller Kortex oder mediotemporaler Kortex (MT) bezeichnet.

Der Hauptteil der primären Sehrinde liegt an der medialen Hemisphärenseite und wird "hufeisenförmig" von der sekundären Rinde umgeben.

Die von der Netzhaut eingehenden Informationen werden also beginnend mit V1 in Form einer Neuronenkette, über die einzelnen Abschnitte V2 bis V5, weitergeleitet.

Von der sekundären Rinde gehen efferente Verbindungen u.a. zum frontalen Augenfeld, zum Gyrus angularis, den Colliculi superiores, der Area pretectalis und dem Tegmentum. Durch diese Verbindungen wird Einfluss auf Reflexe und Blickmotorik des Auges genommen.

Funktionelle Gliederung

Funktionell besteht die Sehrinde aus zwei Zelltypen, die als einfache und komplexe Zellen bezeichnet werden.

  • Einfache Zellen erhalten ihre Impulse von einer Zellgruppe der Netzhaut und reagieren am stärksten auf schmale Streifen von Licht, auf dunkle Streifen vor hellem Hintergrund oder auf geradlinige Hell- / Dunkel-Grenzen. Diese Zellen sind daher entscheidend für die Erkennung von Konturen bei unbeweglichen Objekten.
  • Komplexen Zellen sind Pyramidenzellen und werden unmittelbar von einfachen Zellen erregt. Dabei wird jede komplexe Zelle von vielen einfachen Zellen angesteuert, was die Erfassung von beweglichen Objekten möglich macht. Bei Bewegungen erfasst eine Gruppe von einfachen Zellen das Objekt an der ersten Stelle im Raum und eine andere Gruppe erfasst es an der nächsten Stelle usw.

Die komplexen Zellen verarbeiten dann die Informationen vieler einfacher Zellen und können so die Bewegungsparameter erfassen und das sich bewegende Bild darstellen. Vereinfacht gesprochen zeigt sich ein ähnliches Prinzip bei Videofilmen: Rund 23 Bilder pro Sekunde laufen schnell hintereinander ab und es entsteht der Eindruck einer flüssigen Bewegung der Personen und Objekte im Film.

Aus diesem Mechanismus ergibt sich, dass beim starren Blick auf ein unbewegliches Objekt die Aktivität der komplexen Zellen geringer ist, da sie nur die wenigen Informationen der gleichmäßig feuernden einfachen Zellen verarbeiten müssen.

Neben diesen beiden Zelltypen finden sich in den Arealen 18 und 19 auch hyperkomplexe Zellen. Etwa die Hälfte aller Neurone dieser Region gehören zu diesem Typ, sie sind in besonderem Maße an der Gestaltwahrnehmung beteiligt.

Komplex bezieht sich in diesem Zusammenhang auf ihre Einordnung in der Hierarchie und hat nichts mit ihrem Zellbau zu. Dabei gilt: je komplexer eine Zelle ist, desto weniger thalamokortikale Efferenzen erreichen sie.

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Funktion der Sehrinde und Wahrnehmung

Primärer und visueller Kortex dienen durch Bereitstellung der Basisinformationen dem Form-, Farben-, Bewegungs- und Tiefensehen. Im primären Kortex erfolgt noch keine Assoziation irgendeiner Art, die von der Sehbahn empfangenen Impulse werden hier lediglich (vor-)verarbeitet und an den sekundären Kortex weitergeleitet.

Zu dieser Vorverarbeitung gehört unter anderem eine Filterung von Daten, sodass der visuelle Kortex nur die Impulse erhält, die wirklich notwendig sind. Auch in der Retina findet bereits ein Filtern der eintreffenden Impulse statt, jedoch dient diese Filterung eher der Ausmusterung unnötiger Bilddaten wie doppelter Konturen, zusammenfassbarer Pixel und unnötiger Farbschattierungen sowie nicht wahrnehmbarer Helligkeitsstufen. Der primäre Kortex filtert die Daten hingegen in Bezug auf die Wahrnehmung beider Augen. Dies trägt bereits zum räumlichen Sehen bei.

Ab dem sekundären Kortex (aber nicht ausschließlich dort) werden Daten qualitativ gefiltert, sodass die Formierung des final wahrgenommenen Bildes entsteht. Dieses unterscheidet sich von dem auf die Retina aufgeworfenen Bild, denn Wahrnehmung ist diejenige Sinnesqualität, die erst entsteht, nachdem Bildinformationen

  • aufgenommen (Was ist im gesamten Blickfeld an Objekten vorhanden?)
  • gefiltert (Welche Bildinformationen können weggelassen werden, weil sie redundant oder unnötig sind? Welche Objekte gehören zum Hintergrund und benötigen keinen Fokus, abhängig von ihrer räumlichen Lage?)
  • verarbeitet (Was ist, bezüglich der Platzierung im Raum, noch zu sehen, das zum Vordergrund des Bildes gehört?)
  • assoziiert (In welchem Kontext steht das Gesehene für mich? Wie ist es zu bewerten und in welchem steht es mit Erinnerungen oder Emotionen?) und
  • rückgekoppelt (Welche Korrekturen der Einordnung sind notwendig? Muss der Fokus auf Grund der Interpretation neu ausgerichtet werden?)

wurden.

Im Vergleich lässt sich daher grob sagen, dass das auf der Retina aufgeworfene Bild den Rohdaten einer Videokamera entspricht und die Wahrnehmung dem Bild, welches nach Kopieren der Daten von der Kamera in der Bildverarbeitung so modifiziert wurde, wie es für die Darstellung des Bildes sinnvoll ist (z.B. nach Durchsicht und ggf. Bildkorrekturen mit einem Bildverarbeitungsprogramm). Die Rückkopplung, welche der Neubewertung und Feinjustierung dient, kann ggf. mehrere Zyklen durchlaufen.

Tertiärer, quartärer und quintärer visueller Kortex sowie die Einbindung in den parieto-temporo-okzipitalen Assoziationskortex dienen vor allem der Assoziation des Gesehenen und damit der Einordnung sowohl in den Kontext der Situation, wie auch dem räumlichen Sehen. Des Weiteren sind sie auch an der eben besprochenen Rückkopplung beteiligt.

Es zeigt sich eine gewisse Arbeitsteilung unter den drei Kortizes: Der tertiäre Kortex dient hauptsächlich dem Formensehen, der quartäre hauptsächlich dem Farbensehen und der quintäre hauptsächlich dem Bewegungssehen.

Von einer Reizüberflutung ist die Rede, wenn die von außen einwirkenden Reize die Kapazität des Auges überschreiten, diese adäquat weiterzuleiten. Unter einem Reiz werden, in diesem Zusammenhang, auf ein Sinnessystem einwirkende Umwelteinflüsse verstanden. Daher ist der Begriff der "Reizleitung" oder "Reizweiterleitung" falsch - Reize können nicht fortgeleitet werden.

Im Gegensatz zu psychotropen Substanzen, findet eine Reizüberflutung bereits unmittelbar im Bereich der Netzhaut und des Auges statt. Ein bekanntes Beispiel sind Diskotheken mit extrem schnell wechselndem, sehr grellem Licht.

Insbesondere wenn sich Farbe und Richtung sehr schnell verändern, wird die Fähigkeit der retinalen Zellen, durch Lichtreize stimuliert zu werden, überschritten. Die Geschwindigkeit des Wechsels von Farbe und Richtung ist dabei höher als die Geschwindigkeit, mit der Zellen diesen Wechsel registrieren.

Es kommt in der Wahrnehmung der Besucher zu einem "abgehackten" Lichtwechsel ("Diskoeffekt"). Die Bewegung der Lichtstrahlen wird nicht mehr als kontinuierlich wahrgenommen, sondern auf die maximale Geschwindigkeit der retinalen Zellen gedrosselt. Die maximale Verarbeitungsgeschwindigkeit der Zellen unterliegt leichten interindividuellen Schwankungen, sodass verschiedene Personen die Lichtshow unterschiedlich wahrnehmen können. Während sie bei einer Person noch als zusammenhängende Bewegungen wahrgenommen wird, kann die nächste Person bereits nur noch abgehackte Abläufe vernehmen.

Bei Verwendung von psychoaktiven Substanzen in einer reizüberfluteten Umgebung wie einer Diskothek, wird der Schutz vor Überlastung der Sehrinde mit zu vielen Daten gleich doppelt aufgehoben. Zum einen ist davon auszugehen, dass solche Substanzen die Verarbeitungsgeschwindigkeit der retinalen Zellen leicht, aber unphysiologisch erhöhen. Zum anderen werden Bildinformationen, die fehlen (weil der Lichtwechsel zu schnell erfolgt), durch die Wirkung der Substanz in der Sehrinde durch Abschalten der dortigen Filter z.T. durch andere Bilder "ersetzt". Der Ersatz steht dabei in keinem oder nur in seinem sehr schwachen Zusammenhang mit dem tatsächlich Gesehenen.

Letztlich wird also die retinale Verarbeitungsgeschwindigkeit erhöht, es erreichen mehr Bilddaten die Sehrinde als diese imstande ist normalerweise zu verarbeiten, deren Filter werden jedoch ebenfalls geschwächt und in der Wahrnehmung des Konsumenten entsteht ein Licht- und Farbengewitter.

Da die Filter sowohl der Retina als auch der Sehrinde geschwächt sind, kommt es zu einem massiven Einstrom von Daten auch in alle anderen Bereich des Gehirns, da das Sehsystem mit den meisten Arealen des Gehirns verknüpft ist. Die Folge ist eine Überlastung auch anderer Zentren. Langfristig kann es zu dauerhaften Wahrnehmungs- und Empfindungsstörungen kommen, die sich als Wahn oder Realitätsverzerrung manifestiert und zu schubweisen oder dauerhaften Psychosen führen kann.

Bei dem beschriebenen Mechanismus handelt es sich um einen von vielen, welche die Wirkung solcher Substanzen erklären.

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Kim Bengochea Kim Bengochea, Regis University, Denver
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