Harnröhre (Urethra)
Die Harnröhre (Urethra) ist der ableitende Harnweg von der Harnblase bis zum Verlassen des Körpers. Sie dient dem Harntransport während der Miktion (Blasenentleerung) und weist geschlechtsspezifische Unterschiede auf.
Die männliche Harnröhre ist Teil des Penis und transportiert nicht nur Urin, sondern auch Ejakulat, weswegen sie als Harnsamenröhre bezeichnet wird. Lediglich ein kurzer Abschnitt der männlichen Harnröhre transportiert ausschließlich Urin.
Topographie |
- Ostium urethrae internum (am Boden der Harnblase) bis Ostium urethrae externum Weibliche: - zieht am Vorderwand der Vagina - etwa 2,5-4 cm lang - Ostium urethrae externum mündet in den Scheidenvorhof Männliche: - zieht durch die Prostata, die Beckenmuskulatur und das Corpus spongiosum - etwa 20 cm lang - Ostium urethrae externum endet am Glans penis |
Anteile |
- weibliche: Pars intramuralis, Pars cavernosa - männliche: Pars intramuralis, Pars prostatica, Pars membranacea, Pars spongiosa |
Versorgung |
- A. urethralis (A. pudenda interna) - beim Mann zusätzlich durch A. vesicalis inferior und A. rectalis media |
Innervation |
- N. pudendus |
Funktion |
- Ausscheidung des Urins - beim Mann auch Spermientransport |
Weibliche Harnröhre
Die weibliche Harnröhre hat eine Länge von 3 bis 5 cm. Sie beginnt am Ostium urethrae internum (innere Harnröhrenöffnung) hinter der Symphyse. Von dort zieht sie in enger Nachbarschaft zur Vorderwand der Vagina abwärts und endet mit dem Ostium urethrae externum (äußere Harnröhrenöffnung).
Die weibliche Urethra besitzt 2 Anteile, die Pars intramuralis und Pars spongiosa.
Bei dem Ostium urethrae externum handelt es sich um einen länglich gestalteten Schlitz unmittelbar vor dem Ostium vaginae (Scheidenöffnung) und etwa 2 bis 3 cm hinter der Glans clitoris.
Histologie
Histologisch besteht die weibliche Harnröhre aus einer Schleimhaut (Tunica mucosa), die in den kranialen Abschnitten mit Urothel besetzt ist. Urothel bezeichnet das mehrschichtige Deckgewebe der ableitenden Harnwege, welches zunächst in mehrreihiges hochprismatisches und anschließend in mehrschichtig unverhornendes Plattenepithel übergeht.
In der darunter liegenden Lamina propria finden sich zahlreiche Schleimdrüsen (Glandulae urethrales), viele Gefäße sowie elastische Fasern. Darauf folgt die Tunica muscularis, die aus einer inneren Längs- und einer äußeren Ringmuskelschicht glatter Muskulatur besteht.
Die äußere Schicht besitzt eine Verschlussfunktion und schützt die Urethra und somit auch die Harnblase vor allzu leichtem Eindringen von Krankheitserregern und sonstigen Partikeln.
Die Ringmuskelschicht ist Teil des M. sphincter vesicae, der von einzelnen Anatomen als M. sphincter urethrae internus bezeichnet wird. Der M. sphincter urethrae (früher M. sphincter urethrae externus) besteht aus quergestreifter Muskulatur. Er wird vom N. pudendus innerviert und erlaubt den willentlichen Verschluss der Harnröhre auch bei starkem Harndrang.
Versorgung
Gefäßversorgung, venöse Drainage und Lymphabfluss entsprechen blasennah den Verhältnissen der Harnblase und mündungsnah denen am äußeren Genitale.
Männliche Harnröhre
Die männliche Harnsamenröhre beginnt ihren Verlauf am Boden der Harnblase, mit dem Ostium urethrae internum, hat eine Länge von etwa 20 cm und endet am Ostium urethrae externum.
Sie verläuft in vier Abschnitten:
- Pars intramuralis (in der Blasenwand)
- Pars prostatica (durch die Prostata ziehend)
- Pars membranacea (durch den M. sphincter urethrae externus)
- Pars spongiosa (im Corpus spongiosum penis)
Der Verlauf in der Blasenwand (Pars intramuralis) ist nur kurz und befindet sich in der Muskelschicht. Dieser Abschnitt dient allein dem Urintransport.
Die Pars prostatica ist rund 3,5 cm lang und durchzieht die Prostata. Hier erweitert sie sich im Durchmesser, wird aber durch den Samenhügel (Colliculus seminalis) eingeengt. Diese kleine Erhebung ist die Mündungsstelle der beiden Ductus ejaculatorii. Die Urethra ist in diesem Bereich an 15 bis 30 Stellen porenartig durchbrochen, bei diesen Durchbruchstellen handelt es sich um Mündungen der Prostatadrüsen.
Beide Zugänge sind wahrscheinlich beim Urinieren durch Muskelzüge der Harnblasenwand verschlossen, sodass der Urin frei von Ejakulat ist.
Der nächste Abschnitt ist die Pars membranacea, die etwa 1 bis 2 cm lang ist. Sie besitzt ein enges Lumen und durchsetzt den Beckenboden.
Darauf folgt die Pars spongiosa, die Strecke nach Eintritt der Urethra in das Corpus spongiosum penis (Harnröhrenschwellkörper). Kurz nach Eintritt in den Penis erweitert sie sich zur Ampulla urethrae, in der sich Einmündungen der Ausführungsgänge der Cowper'schen Drüsen befinden.
Die Länge der Pars spongiosa beträgt etwa 15 cm, sie endet mit dem Ostium urethrae externum an der Glans penis. Der proximale Teil ist am Beckenboden fixiert, während der distale Teil der Lage des Penis folgt. Unmittelbar vor dem Ostium befindet sich die Fossa navicularis urethrae, eine ampullenartige Erweiterung der Urethra.
In der Pars spongiosa finden sich längs verlaufende Schleimhautfalten (Lacunae urethrales) und Littre'sche Drüsen (Glandulae urethrales). Letztere produzieren ein klares, schleimhaltiges Sekret, das die Urethralschleimhaut befeuchtet.
Histologie
Der histologische Aufbau entspricht prinzipiell dem der Frau: Eine Tunica mucosa mit einer Lamina propria bildet den luminalen Teil und wird von einer Tunica muscularis gefolgt. Der Aufbau der Schleimhaut variiert in Abhängigkeit vom Abschnitt.
In der Pars intramuralis findet sich Urothel, das in der Pars prostatica in mehrschichtiges hochprismatisches Epithel übergeht. Dieses besitzt an seiner Oberfläche Lysozym, ein Enzym, welches antibakterielle Eigenschaften besitzt, da es bakterielle Zellwände auflösen kann.
Ab der Fossa navicularis findet sich mehrschichtig unverhornendes Plattenepithel, das große Mengen an Glykogen einlagert und Nährboden für Lactobacillus acidophulus ist. Diese Bakterien dienen der natürlichen Besiedlung, verhindern eine allzu schnelle Besiedelung mit anderen Erregern und dienen damit als physiologische Schutzzone gegen aufsteigende Infektionen.
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Versorgung
Die arterielle Versorgung vor allem der Pars spongiosa erfolgt aus der A. urethralis, einem Ast der A. pudenda interna. Die restlichen Anteile werden aus kleinen Ästen der Rami prostatici aus der A. vesicalis inferior und der A. rectalis media versorgt.
Das venöse Blut der Pars spongiosa drainiert in den Plexus venosus vesicalis sowie den Plexus venosus prostaticus, die restlichen Anteile geben ihr Blut an die Venen des Penis ab.
Die Lymphdrainage erfolgt in die Nll. iliaci interni, z.T. erfolgt der Lymphabfluss der Pars prostatica urethrae auch in die Nll. sacrales. Distale Abschnitte der Urethra geben ihre Lymphe in die Nll. inguinales superficiales ab.
Die sensible Innervation erfolgt über den N. pudendus. Die Wand der Urethra ist sehr schmerzempfindlich, die Qualität des empfundenen Schmerzes ist in aller Regel brennend.
Engstellen und Weiten
Die weibliche Harnröhre ist nahezu ein gerades Rohr, während die männliche drei Engstellen, drei Weiten und zwei Krümmungen aufweist, die klinische Bedeutung besitzen.
Die drei Engstellen sind:
- Pars intramuralis (Ostium urethrae internum)
- Pars membranacea
- Ostium urethrae externum
Die drei Weiten sind:
- Pars prostatica
- Ampulla urethrae
- Fossa navicularis
Die erste Krümmung (Curvatura infrapubica), befindet sich proximal am Übergang der Pars membranacea in die Pars spongiosa, die zweite distal am Übergang des fixierten zum nicht fixierten Teil der Pars spongiosa.
Embryologie
Die Harnwege entstehen in der Embryogenese aus dem inneren der drei Keimblätter, dem Entoderm. Zwischen der 4. und der 6. Woche wird die Kloake, eine vorläufige gemeinsame Körperöffnung für Verdauungs-, Geschlechts- und Exkretionsorgane, getrennt. Durch das von kranial einwachsende Septum urorectale entstehen dorsal zwei getrennte Öffnungen für den Darm (Anorektalkanal) und ventral für den Urogenitaltrakt (Sinus urogenitalis).
Der Sinus urogenitalis oder auch Urogenitalkanal wird in drei Ebenen (obere, mittlere, untere) unterteilt, aus denen jeweils unterschiedliche Strukturen hervorgehen. Bei der Frau entwickelt sich die Harnröhre komplett aus der mittleren Ebene. Beim Mann hingegen entsteht nur der proximale Teil aus der mittleren Ebene, der distale Abschnitt entwickelt sich aus der unteren Ebene.Bildgebende Darstellung
Vordergründig wird die männliche Harnröhre bildgebend dargestellt, weil aufgrund der größeren Länge prinzipiell häufiger morphologische Veränderungen auftreten.
Infektionen werden – bei beiden Geschlechtern – normalerweise klinisch (anhand von Anamnese und klinischer Untersuchung) diagnostiziert.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die männliche Harnröhre. Für die Frau gilt prinzipiell das Gleiche, jedoch mit der Einschränkung, dass selten Indikationen für die bildgebende Darstellung der weiblichen Harnröhre bestehen.
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Sonographie
Die gesunde Harnröhre ist in der farbkodierten Duplexsonographie üblicherweise nicht sichtbar. Hohlorgane benötigen eine Flüssigkeitsfüllung, um von ihrer Umgebung abgrenzbar zu sein. Die Flüssigkeit muss zudem eine gewisse Bewegung aufweisen, sodass Strömungen entstehen, die erfasst werden können.
Egal ob im normalen oder erkrankten Zustand ist die Harnröhre somit nur mit Hilfe von Flüssigkeitsfüllung sonographisch erfassbar.
Radiographische Verfahren
Das klassische Verfahren zur Beurteilung der gesamten ableitenden Harnwege, inklusive der Harnröhre, ist das Ausscheidungsurogramm. Es ist bei bestimmten Fragen vor allem in Bezug auf Fehlbildungen indiziert.
Eine Alternative zum Ausscheidungsurogramm ist die intraluminale Applikation von Kontrastmittel über einen Katheter, das retrograde Ureteropyelogramm.
Für die selektive Darstellung der Harnröhre eignet sich das retrograde Urethrogramm. Dabei wird Kontrastmittel nur in die Harnröhre eingebracht und anschließend unter Röntgendurchleuchtung dargestellt.
Eine weitere Möglichkeit der Darstellung besteht in der Miktionszysturethrographie. Dabei erfolgt die bildgebende Darstellung während der Miktion.
Computertomographie und Magnetresonanztomographie
Für die Darstellung der Harnröhre eignet sich die Computertomographie weniger, da die Strahlenabgabe direkt in die Gonadenregion erfolgt. Spezielle Hodenschutze, die jedoch den Penis aussparen, sind nicht verbreitet.
Alternativ kann eine Magnetresonanztomographie, auch mit Kontrastmittel, durchgeführt werden. Sie ist jedoch nicht klinischer Standard und die Aussagekraft wird nachwievor diskutiert.
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Klinik
Die anatomischen Verhältnisse der männlichen Harnröhre sind von besonderer klinischer Bedeutung. In vielerlei Situationen kann die Anlage eines transurethralen Blasenkatheters notwendig sein. Beim Vorschieben des Katheters müssen die Engen sowie die Krümmungen berücksichtigt werden. Sie setzen beim Vorschieben des Katheters einen Widerstand entgegen, der nur mit äußerster Vorsicht überwunden werden darf, da ansonsten Verletzungsgefahr besteht.
Die akute Verletzung ist als solches bereits problematisch, zudem neigt intraluminal verletzte Harnröhrenschleimhaut im Zuge ihres Heilungsprozesses zur vermehrten Bildung von Bindegewebe, was zur Harnröhrenstriktur führt. Beim nächsten Versuch einen Katheter vorzuschieben, wächst damit die Gefahr einer Verletzung, weil das Lumen noch enger ist – ein Circulus vitiosus entsteht. Harnröhrenstrikturen sind sehr schwer behandelbar, da mit jedem Eingriff häufig noch mehr Bindegewebe gebildet wird.
Die unterschiedliche Länge der Harnröhren bei Mann und Frau haben Bedeutung im Rahmen von Harnwegsinfektionen. Die geringe Länge der weiblichen Harnröhre sorgt dafür, dass aufsteigende Infektionen sowohl der Harnröhre wie auch der Harnblase eine sehr häufige Erkrankung der Frau sind. Jedoch verlaufen diese zumeist komplikationslos, wenngleich sie außerordentlich schmerzhaft sein können. Im Falle einfacher bakterieller Infektionen ohne Fieber und sonstige Begleitbefunde wird von einem unkomplizierten Harnwegsinfekt gesprochen.
Eine infektiöse Entzündung der männlichen Harnröhre ist selten. Sie tritt vor allem bei hospitierten und immunsupprimierten Patienten auf. Sie kann jedoch im Rahmen der symptomatischen Infektion mit verschiedenen sexuell übertragbaren Krankheiten auftreten und ist dann äußerst schmerzhaft ("Rasierklingen pinkeln").
Weil Harnröhren- und Harnblaseninfektionen bei Männern in der Regel Ausdruck einer anderen Grunderkrankung sind und zumeist auch nicht komplikationslos verlaufen, gilt, dass es keine unkomplizierten Harnwegsinfektionen beim Mann gibt.
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Kim Bengochea, Regis University, Denver