Gehörknöchelchen
Die Gehörknöchelchen bestehen aus Malleus (Hammer), Incus (Amboss) und Stapes (Steigbügel).
Sie sind die kleinsten Knochen des menschlichen Körpers und befinden sich in der Cavitas tympani, also der Paukenhöhle, die in der Pars petrosa ossis temporalis liegt. Ihre deutschen Namen haben sie ihrer Form zu verdanken, da sie unverkennbar einem Hammer, Amboss und Steigbügel ähneln. Wir werden im Folgenden jedoch die lateinischen Namen verwenden.
Während der Entwicklung zählen die Gehörknöchelchen zu den ersten vollständig verknöcherten Strukturen. Bereits bei der Geburt sind sie vollständig ossifiziert und zeigen danach kein weiteres Wachstum mehr.
Sie befinden sich im Mittelohr, sind durch feine Bandverbindungen befestigt und stehen untereinander über Synovialgelenke in Kontakt. So entsteht eine durchgehende, bewegliche Kette vom Trommelfell (lateral) bis zum ovalen Fenster (medial). Ihre Aufgabe liegt in der Übertragung mechanischer Schwingungen: Diese werden vom Trommelfell aufgenommen und über die knöcherne Kette an das ovale Fenster weitergegeben. Dort werden die Flüssigkeiten des Innenohrs durch den Schall in Bewegung gesetzt und aktivieren dadurch spezialisierte Rezeptoren. Dies ist der Beginn des Prozesses, bei dem Schallreize in elektrische Signale übersetzt und letztlich an das Gehirn weitergeleitet werden.
In diesem Artikel gehen wir näher auf die Anatomie der einzelnen Gehörknöchelchen, deren Aufbau und Funktion ein.
Lage | Mittelohr |
Aufbau | Trommelfell, Malleus, Incus, Stapes, ovales Fenster |
Funktion | Übertragen die Schwingungen des Trommelfells auf das ovale Fenster |
Malleus | Hammergriff (Manubrium mallei), Facies articularis incudis, Processus lateralis, Processus anterior, Collum mallei, Caput mallei, Umbo membranae tympani |
Incus | Corpus, Crus longum, Crus breve, Processus lenticularis |
Stapes | Caput stapedis, Crus anterius, Crus posterius, Basis stapedis |
Gelenke | Articulatio incudomallearis, Articulatio incudostapedialis, Syndesmosis tympanostapedialis |
Muskeln | M. tensor tympani, M. stapedius |
Klinik | Otosklerose, Hyperakusis |
- Malleus (Hammer)
- Incus (Amboss)
- Stapes (Steigbügel)
- Gelenke
- Muskulatur
- Funktion
- Klinik
- Literaturquellen
Malleus (Hammer)
Der Malleus liegt am weitesten lateral und steht mit dem Trommelfell in Verbindung. Er ist das größte der drei Gehörknöchelchen und besteht aus mehreren Anteilen:
- Hammergriff (Manubrium mallei)
- Facies articularis incudis
- Processus lateralis
- Processus anterior
- Collum mallei
- Caput mallei
- Umbo membranae tympani
Das Manubrium mallei ist eine nach kaudal gerichtete Verlängerung, die in die mediale Fläche des Trommelfells eingebettet ist. Es verjüngt sich distal und endet im Bereich des Umbo, dort, wo der Malleus über Bänder an der Pars tensa des Trommelfells fixiert ist. Diese Verbindung zieht das Trommelfell nach medial ein und bildet so die zentrale Vertiefung, den Umbo membranae tympani.
Der Processus lateralis entspringt an der Wurzel des Manubriums und ragt als kleiner Kegel nach lateral. Er ist mit dem oberen Abschnitt des Trommelfells verbunden. Der deutlich längere Processus anterior entspringt oberhalb des Processus lateralis, verläuft spindelförmig nach ventral und steht über das Ligamentum mallei anterius mit der Fissura petrotympanica in Verbindung, einer Spaltbildung in der vorderen Wand der Cavitas tympani.
Zwischen den beiden Fortsätzen liegt das schlanke Collum mallei, das sich auf der Pars flaccida des Trommelfells befindet. Oberhalb davon sitzt das abgerundete Caput mallei im Recessus epitympanicus. Posterolateral ist das Caput über ein kleines Synovialgelenk, die Articulatio incudomallearis, mit dem Incus, genauer gesagt mit dessen Corpus, verbunden.
In Position gehalten wird der Malleus durch folgende Bänder:
- Ligamentum mallei anterius (Casserio-Band): verbindet die Basis des Collums mit der vorderen Wand der Cavitas tympani.
- Ligamentum mallei superius: verläuft vom Caput zum Tegmen tympani.
- Ligamentum mallei lateralis: zieht Caput bzw. Collum zur dorsalen Wand der Cavitas tympani
Incus (Amboss)
Der Incus ist das mittlere der drei Gehörknöchelchen. Er liegt medial des Malleus und lateral des Stapes und ist über Synovialgelenke mit beiden verbunden. Anatomisch lässt sich der Incus in Corpus, Crus longum, Crus breve und Processus lenticularis gliedern.
Das Corpus des Incus steht anterolateral über der Articulatio incudomallearis mit dem Caput des Malleus in Verbindung. Wie dieses liegt auch das Corpus des Incus im Recessus epitympanicus. Das Crus breve erstreckt sich vom Körper aus nach posterior und dient als Ansatzpunkt für das hintere Band des Incus. Das Crus longum verläuft parallel zum Manubrium des Malleus nach inferior und anteromedial. An seinem distalen Ende biegt er in einem annähernd rechten Winkel ab und bildet den Processus lenticularis, der über die Articulatio incudostapedialis mit dem Caput des Stapes artikuliert.
Zwei Bänder fixieren den Incus in seiner Position:
- Ligamentum incudis superius: verbindet das Corpus des Incus mit dem Tegmen tympani.
- Ligamentum incudis posterius: zieht vom Crus breve zur hinteren Wand der Cavitas tympani.
Stapes (Steigbügel)
Das am medialsten gelegene und zugleich kleinste der drei Gehörknöchelchen ist der Stapes. Zu seinen anatomischen Hauptmerkmalen zählen das Caput stapedis, das Crus anterius und Crus posterius sowie die Basis stapedis.
Lateral artikuliert das Caput stapedis über die Articulatio incudostapedialis mit dem Processus lenticularis des Crus longum des Incus. Vom Caput ziehen sein Crura anterius und posterius in Richtung Basis, die gemeinsam die typische Steigbügelstruktur formen. Die Basis liegt dem ovalen Fenster an und ist in die mediale Wand der Cavitas tympani eingebettet.
Zwei Bindegewebsstrukturen stabilisieren den Stapes in seiner Position:
- Membrana stapedialis: eine Schleimhautbrücke zwischen vorderem und hinterem Schenkel sowie der Basis.
- Ligamentum anulare stapediale: ein fibröser Gewebering, der die Basis des Stapes beweglich mit dem ovalen Fenster verbindet.
In den folgenden Lerneinheiten erfährst du mehr über das Mittelohr und den Gehörgang.
Gelenke
Die Gehörknöchelchen bilden drei Gelenke:
- Articulatio incudomallearis: Synovialgelenk zwischen dem Caput mallei (posterior) und dem Corpus des Incus.
- Articulatio incudostapedialis: Synovialgelenk zwischen dem Processus lenticularis des Crus longum des Incus und dem Caput des Stapes.
- Syndesmosis tympanostapediale: Verbindung zwischen der Basis des Stapes und dem ovalen Fenster mit dem Ligamentum anulare stapediale.
Muskulatur
Zwei Skelettmuskeln sind mit den Gehörknöchelchen verbunden und kontrahieren reflexartig bei lauten Geräuschen. Dadurch schränken sie die Beweglichkeit der Gehörknöchelchenkette ein und dämpfen die Schwingungen, die durch hohe Schalldrücke entstehen.
Auf diese Weise trägt die Muskulatur zum Schutz der sensiblen Strukturen des Innenohrs bei. Es handelt sich um den Musculus tensor tympani und den Musculus stapedius.
Musculus tensor tympani
Der Musculus tensor tympani verläuft in einem knöchernen Kanal oberhalb der Tuba auditiva und zieht nach dorsal zum Manubrium mallei, wo er ansetzt.
Bei Kontraktion zieht er den Malleus nach medial, wodurch es zu einer Spannung des Trommelfells kommt. Die erhöhte Spannung schränkt dessen Schwingungsfähigkeit ein und reduziert die Amplitude der übertragenen Schallwellen. Dieser Mechanismus dient dem Schutz des Innenohrs vor lauten Schallreizen.
Ursprung | Semicanalis musculi tensoris tympani der Pars petrosa ossis temporalis, wird am Processus cochleariformis nach lateral umgelenkt |
Ansatz | Manubrium mallei (Hammergriff) |
Innervation | Nervus tensoris tympani (Ast des N. mandibularis (HN V3)) |
Funktion | Zieht das Manubrium mallei nach innen und spannt dadurch das Trommelfell |
Musculus stapedius
Der Musculus stapedius entspringt an der Innenfläche der Eminentia pyramidalis, einem kleinen Knochenvorsprung in der posterioren Wand der Cavitas tympani. Durch ein feines Foramen an der Spitze dieser Struktur zieht der Muskel nach anterior und setzt an der Rückseite des Caput stapedis an.
Bei Kontraktion zieht er den Stapes nach dorsal, wodurch die Basis stapedis im ovalen Fenster fixiert und ihre Beweglichkeit mechanisch begrenzt wird. Dies führt zur Spannung des ringförmigen Ligamentum anulare, das übermäßige Bewegungen des Stapes hemmt und die Kraft der Schallübertragung reduziert. Wie der Musculus tensor tympani reagiert auch der Musculus stapedius reflektorisch auf laute akustische Reize. Dieser Schutzmechanismus ist als Stapediusreflex bekannt.
Ursprung | Eminentia pyramidalis der Cavitas tympani |
Ansatz | Crus posterius des Stapes |
Innervation | Nervus stapedius (Ast des N. facialis (HN VII)) |
Funktion | Verkantet die Steigbügelplatte im ovalen Fenster und vermindert die Kraft der Schallweiterleitung |
Funktion
Die Gehörknöchelchen leiten die Schallwellen vom Trommelfell, das den Übergang vom äußeren Ohr zum Mittelohr bildet, ans Innenohr weiter. Dort werden die mechanischen Schwingungen des Schalls schließlich in elektrische Signale umgewandelt.
Genauer gesagt leiten Malleus, Incus und Stapes die Schwingungen des Trommelfells durch die Cavitas tympani bis zum ovalen Fenster. Dort erzeugt die Bewegung der Basis stapedis eine Welle in der Flüssigkeit des Innenohrs, wodurch die Rezeptorzellen stimuliert werden. Diese wandeln schließlich die mechanischen Schwingungen über den Prozess der Transduktion in elektrische Signale um, die anschließend vom Gehirn verarbeitet werden können.
Da die Basis stapedis, die im ovalen Fenster (Fenestra vestibuli) verankert ist, deutlich kleiner ist als das Trommelfell, wirken die Kräfte an dieser Stelle etwa zehnfach verstärkt. Das bedeutet, dass die Gehörknöchelchenkette die Schwingungen kraftverstärkt weiterleitet, dabei aber deren Amplitude reduziert. Große Amplituden mit geringer Kraft werden so in kleinere Amplituden mit höherer Kraft überführt. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung für die Weiterleitung in die flüssigkeitsgefüllten Strukturen des Innenohrs.
Zunächst gelangen die Schallwellen durch den äußeren Gehörgang und versetzen das Trommelfell in Schwingung. An dessen medialer Fläche ist das Manubrium mallei befestigt, das diese Bewegung aufnimmt. Die mediale Verschiebung des Manubrium mallei bewirkt eine laterale Bewegung des Caput mallei, das über ein Gelenk mit dem Corpus incudis verbunden ist.
Anschließend überträgt sich diese Bewegung auf das Crus longum incudis, das nach medial bewegt wird. Da dessen Processus lenticularis mit dem Caput stapedis gelenkig verbunden ist, folgt der Stapes dieser Bewegung.
Letztendlich wird die Basis stapedis, die dem ovalen Fenster anliegt, dadurch ebenfalls nach medial verschoben und gibt die Bewegung über das ovale Fenster an das Innenohr weiter. Diese Bewegung versetzt die Perilymphe der Cochlea in Schwingung. Dadurch werden Mechanorezeptoren im Corti-Organ aktiviert, die elektrische Impulse erzeugen. Diese werden über den Nervus cochlearis, ein Ast des Nervus vestibulocochlearis (HN VIII), an das Gehirn weitergeleitet.
Dieser fein abgestimmte Mechanismus sorgt insgesamt dafür, dass mechanische Schwingungen in elektrische Signale umgewandelt werden, die das Gehirn als Hörwahrnehmung interpretieren kann.
Klinik
Eine Unterbrechung der Gehörknöchelchenkette liegt vor, wenn die einzelnen Gehörknöchelchen nicht mehr in funktionellem Kontakt miteinander stehen.
Auslöser hierfür kann eine komplette Verknöcherung der Gehörknöchelchenkette sein, bei der ihre Beweglichkeit eingeschränkt ist. Eine weiterer Auslöser kann eine zu große Entfernung zwischen den Gehörknöchelchen sein, sodass die Schallübertragung zum ovalen Fenster nicht mehr möglich ist. Mögliche Ursachen sind Traumata, Infektionen, angeborene knöcherne Fehlbildungen, Otosklerose (ein pathologisches Knochenwachstum im Bereich der Gehörknöchelchen) oder chronische Otitis media. Die Behandlung erfolgt in der Regel entweder über ein Hörgerät oder operativ durch eine Rekonstruktion der Gehörknöchelchenkette, wobei auch eine Prothese (die kleinste Prothese, die bisher im Menschen eingesetzt werden kann) genutzt werden kann.
Kommt es zu einer Lähmung des Musculus tensor tympani oder des Musculus stapedius, ist die reflektorische Dämpfung von intensiven Schalldruckwellen, also sehr lauten akustischen Reizen gestört. In der Folge können laute Geräusche nicht mehr ausreichend abgepuffert werden, was zu einer gesteigerten Geräuschempfindlichkeit, auch Hyperakusis genannt, führt. Ursache dieser Funktionsstörung ist meist eine Schädigung der die Muskeln versorgenden Nerven, etwa infolge eines Traumas, wie einer Schädelverletzung, oder im Rahmen einer Infektion.
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