Zunge (Lingua)
Die Zunge ist ein mit Schleimhaut bedecktes muskuläres Organ, welches verschiedene Funktionen hat.
Sie hilft bei der Einspeichelung der Nahrung in der Mundhöhle mit, verteilt die Nahrung für den Kauvorgang und leitet den Schluckakt durch das Vorschieben des Nahrungsbreis Richtung Isthmus faucium ein.
Des Weiteren dient sie der Geschmacksempfindung, der Aufnahme mechanischer Reize und spielt durch ihre Beweglichkeit und Verformbarkeit eine wichtige Rolle bei der Sprachproduktion.
Lage | - In der Mundhöhle |
Aufbau |
Zungenoberseite - Zungenspitze - Zungenkörper - Zungengrund Zungenunterseite mit Zungenbändchen |
Muskulatur |
Äußere Zungenmuskulatur - M. genioglossus - M. hyoglossus - M. styloglossus - M. chondroglossus Innere Zungenmuskulatur - M. longitudinalis superior - M. transversus linguae - M. verticalis linguae |
Gefäßversorgung | - A. lingualis - A. sublingualis - A. profunda linguae |
Innervation |
- Motorisch: N. hypoglossus - Sensorisch: Chorda tympani, N. glossopharyngeus, N. vagus - Sensibel: N. lingualis, N. glossopharyngeus, N. vagus |
Funktion |
- Erste Schritte der Verdauung (Einspeichelung, Unterstützung des Kauvorgangs, Einleitung des Schluckens) - Geschmacksempfindung - Aufnahme mechanischer Reize - Wichtiger Bestandteil der Sprachmotorik |
Klinik | - Lackzunge - Hunter-Glossitis - Himbeer- /Erdbeerzunge - Makroglossie, Zungensoor |
- Topographie
- Aufbau
- Muskulatur
- Gefäßversorgung und Innervation
- Histologie
- Embryologie
- Klinik
- Literaturquellen
Topographie
Die Zunge liegt innerhalb der Mundhöhle (Cavitas oris propria), wo sie an an verschiedene Strukturen grenzt. Lateral und ventral grenzt sie an die Zähne, cranial an den Gaumen, kaudal an den Mundboden und dorsal an den Oropharynx.
Aufbau
Der makroskopische Aufbau kann grob in Zungenoberseite (Dorsum linguae) und -unterseite (Facies inferior linguae) mit dem Zungenbändchen (Frenulum linguae) unterteilt werden. Die Oberseite gliedert sich von ventral nach dorsal in Zungenspitze (Apex linguae), Zungenkörper (Corpus linguae) und Zungengrund (Radix linguae).
Die vorderen ⅔ der Zunge werden durch den V-förmigen Sulcus terminalis linguae vom Zungengrund getrennt. Am Scheitelpunkt des V liegt das blind endende Foramen caecum. An dieser Stelle senkte sich die Schilddrüse während der Embryonalentwicklung durch den Ductus thyreoglossus nach kaudal ab. Dorsal des Sulcus terminalis befindet sich der Zungengrund, welcher bis zur Epiglottis reicht.
Im Zungengrund befindet sich lymphatisches Gewebe, das in seiner Gesamtheit als Zungenmandel (Tonsilla lingualis) bezeichnet wird. Sie ist Teil des sogenannten Waldeyer-Rachenrings. Der Zungenrücken wird durch den mittig längs verlaufenden Sulcus medianus linguae in zwei Hälften geteilt. Unter dem Sulcus befindet sich eine Bindegewebsplatte (Aponeurosis linguae), die fest mit dem Zungenepithel verbunden ist.
Muskulatur
Die Zunge wird durch die Zungenmuskulatur gebildet. Sie wird in äußere und innere Muskulatur unterteilt. Erstere entspringt an den Schädelknochen und dem Zungenbein (Os hyoideum), letztere verläuft ausschließlich innerhalb der Zunge.
Die Binnenmuskulatur setzt sich aus den Mm. longitudinales superior et inferior, dem Musculus transversus linguae und dem Musculus verticalis linguae zusammen. Sie dienen der Formveränderung der Zunge, also beispielsweise Abflachung, Streckung oder Verkürzung.
Äußere Zungenmuskulatur
Zur äußeren Zungenmuskulatur gehören folgende Muskeln:
- M. genioglossus
- M. hyoglossus
- M. styloglossus
- M. chondroglossus
Ihre Aufgabe ist die Lageveränderung der Zunge. Innerviert werden sie vom N. hypoglossus (XII. Hirnnerv).
Der Musculus genioglossus entspringt an der Spina mentalis mandibulae und setzt an der Aponeurosis und dem Corpus linguae, sowie am Zungenbein (Os hyoideum) und dem Kehldeckel (Epiglottis) an. Dieser Muskel zieht die Zunge nach ventral und kaudal und ermöglicht so das Herausstrecken der Zunge. Sein Tonus verhindert das Absinken der Zunge nach dorsal, was zu einer Verlegung der Epiglottis und somit zu Erstickungsgefahr führen würde. Die Atonie des M. genioglossus wird klinisch bei Bewusstlosigkeit oder Narkose relevant, wenn die Zunge droht in den Schlund (Pharynx) zurückzufallen und den Kehlkopf zu verlegen.
Der Musculus hyoglossus entspringt am Cornu majus und Corpus des Zungenbeins (Os hyoideum) und hat seinen Ansatz am Zungenrand. Bei beidseitiger Kontraktion zieht er die Zunge nach dorsal und kaudal, bei einseitiger Kontraktion senkt er die Zunge zur ipsilateralen Seite.
Der Musculus chondroglossus entspringt am Cornu minus des Zungenbeins und strahlt in die lateralen Anteile der Aponeurosis linguae ein. Er bewegt die Zunge nach dorsal und kaudal. Zum Teil wird er nicht als eigenständiger Muskel, sondern Teil des M. hyoglossus betrachtet.
Der Musculus styloglossus entspringt am Processus styloideus und am Ligamentum stylomandibulare. Er zieht die Zunge bei beidseitiger Kontraktion nach dorsal und kranial. Eine einseitige Kontraktion führt zur Bewegung der Zunge zur ipsilateralen Seite.
Der Musculus palatoglossus hebt den Zungengrund, ist jedoch kein Zungenmuskel im eigentlichen Sinne, sondern ein Schlundmuskel. Er wird vom N. glossopharyngeus innerviert (IX. Hirnnerv) und nicht vom N. hypoglossus, wie die Zungenmuskeln.
Innere Zungenmuskulatur
Der Musculus longitudinalis superior verläuft von der Zungenspitze bis zum Zungenbein und verkürzt die Zunge zusammen mit dem M. longitudinalis inferior. Letzterer verläuft zwischen dem M. genioglossus und M. hyoglossus von der Zungenbasis zur -spitze.
Der Musculus transversus linguae verläuft zwischen den Mm. longitudinales superior et inferior von einer mittig den Zungenkörper unterteilenden Bindegewebsplatte (Septum linguae) bis zum Zungenrand, wo er sich teilweise in den M. palatoglossus und die Pars glosspharyngea des oberen Schlundschnürers fortsetzt. Seine Kontraktion führt zur Streckung der Zunge.
Die Fasern des Musculus verticalis linguae verlaufen beinahe senkrecht von der Zungenunterseite zur Aponeurose. Er dient der Abflachung der Zunge.
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Gefäßversorgung und Innervation
Die arterielle Versorgung erfolgt über Äste der A. lingualis, die ihrerseits aus der A. carotis externa entspringt. Die A. sublingualis versorgt die Zungenunterseite und den Zungengrund. Der Zungenrücken bis zur Zungenspitze wird über die A. profunda linguae versorgt. Der venöse Abfluss erfolgt über die V. lingualis in die V. jugularis interna.
Die motorische Innervation sowohl der äußeren als auch der inneren Zungenmuskulatur erfolgt über den N. hypoglossus. Eine einseitige Schädigung des N. hypoglossus ist erkennbar durch Abweichen der herausgestreckten Zunge zur kranken Seite, da der Tonus der Muskulatur auf der gesunden überwiegt und die Zunge so zur kontralateralen Seite schiebt.
Der Geschmackssinn (sensorische Innervation) wird über die Chorda tympani aus dem N. facialis (VII. Hirnnerv), über den N. glossopharyngeus und den N. vagus (X. Hirnnerv) vermittelt. Dabei innerviert die Chorda tympani die vorderen ⅔ und der N. glossopharyngeus das hintere Drittel der Zunge. Der Bereich dorsal des Sulcus terminalis wird vom N. vagus innerviert.
Geschmack ist eine Empfindung, die im Gehirn entsteht. Sie entsteht durch die Reizung von Chemosensoren, den Geschmacksknopsen. Dabei handelt es sich um spezialisierte epithelartig aufgebaute korpuskuläre Nervenfaserendigungen, die in den Papillen und vereinzelt auf der Oberfläche der Zunge eingelagert sind. Ein großer Teil der Geschmacksknopsen ist spezialisiert auf eine der fünf Geschmacksqualitäten (süß, sauer, salzig, bitter, umami). Die Reizung der Sensoren erfolgt durch Bestandteile der Nahrung, welche für die jeweilige Geschmacksqualität typisch sind (Glukose, essigartige Geschmacksstoffe, Natriumchlorid, verschiedene Bitterstoffe und Öle, Glutamat).
Die Registrierung der Nahrungsbestandteile unterschiedlicher Geschmacksqualitäten ist im Wesentlichen verschiedenen Zungenregionen zugeordnet: An der Zungenspitze süß, an den Seitenrändern salzig. Am hinteren Zungenrand wird saurer, im Bereich der Wallpapillen und der Zungenwurzel bitterer Geschmacksstoff registriert. Umami wird der Zungenmitte zugeordnet. Die Regionen zeigen gewisse Überlappungen.
Süß | Zungenspitze |
Salzig | Seitenränder |
Sauer | Zungenrand |
Bitter | Zungenwurzel |
Umami | Zungenmitte |
Die sensible Innervation der vorderen ⅔ erfolgt über den N. lingualis, einem Ast des N. mandibularis (V₃. Hirnnerv). Analog zur sensorischen Innervation versorgt der N. glossopharyngeus das hintere Zungendrittel und der N. vagus den Bereich dorsal des Sulcus terminalis.
Der Lymphabfluss erfolgt über Nodi lymphatici submandibulares und submentales in die Nodi lymphatici cervicales profundi.
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Histologie
Die Schleimhaut der Zungenunterseite ist dünn, verschieblich und besteht aus mehrschichtig unverhorntem Plattenepithel. Sie weist eine glatte Oberfläche auf und setzt sich im Mundboden fort. In diesem Bereich besitzt die Zunge damit eine große Resorptionsfläche, daher erfolgt dort die sublinguale Applikation von Arzneimitteln.
Im Gegensatz zur glatten Unterseite steht die relativ raue Oberseite, die ein Zeichen der Anpassung an ihre mechanischen Aufgaben ist. Hier ist die Schleimhaut über die Aponeurosis linguae fest und unverschieblich mit der Zungenmuskulatur verbunden.
Zungenpapillen (Papillae linguales)
Bei den Zungenpapillen handelt es sich um mit speziellem Epithel überzogene Bindegewebszapfen. Sie sorgen in ihrer Gesamtheit für das raue Oberflächenrelief der Zunge.
Unterschieden werden vier Arten:
Die zahlreichen Fadenpapillen (Papillae filiformes) verleihen der Zungenoberseite ihre gräuliche Färbung. Sie sind stark verhornt und dienen als Tastpapillen.
Die 200-400 Pilzpapillen (Papillae fungiformes) sind mit bis zu 1 mm Durchmesser bereits makroskopisch als kleine rote Punkte zu erkennen. Sie kommen vor allem am Zungenrand und der Zungenspitze vor. Im Säuglingsalter tragen sie noch Geschmacksknospen, welche sich jedoch im Verlauf zurückbilden. Sie dienen der taktilen und thermischen Sensorik.
Die 7-12 Wallpapillen (Papillae vallatae) sind V-förmig entlang des Sulcus terminalis gelegen. Jede Wallpapille ist im Durchmesser etwa 2 mm groß und weist ungefähr 200 Geschmacksknospen auf. Die Wallpapillen sind ringförmig von einem Wall und einem Graben umgeben. In letztere münden die Ausführungsgänge kleiner Spüldrüsen (von Ebner-Spüldrüsen, Glandulae gustatoriae).
Deren seröses Sekret spült die Geschmacksknospen und die sie umgebenden Gräben ständig frei von Geschmacksstoffen und Nahrungspartikeln. Die etwa 15-20 Blattpapillen (Papillae foliatae) kommen beidseits am hinteren Zungenrand vor. Auch sie tragen zahlreiche (rund 600) Geschmacksknospen.
Zungendrüsen (Glandulae linguales)
Zusätzlich zu den Glandulae gustatoriae enthält die Zungenschleimhaut außerdem die überwiegend seröse Glandula lingualis anterior (Nuhn-Drüse) an der Zungenspitze, sowie die mukösen Glandulae radicis linguae an der Zungenwurzel. Letztere münden mit ihren Ausführungsgängen in die Krypten der Zungentonsille.
Embryologie
Die Entwicklung der Zunge beginnt in der vierten Woche mit der Proliferation von Mesenchym und Ektoderm auf dem Boden der Mundhöhle.
Die Zungenmuskulatur stammt aus den vier okzipitalen Somiten. Sie entsteht aus zwei lateral gelegenen Zungenwülsten (Tubercula lingualis lateralis) und einer medialen Erhebung (Tuberculum impar). Das Zungenepithel entstammt dem Ektoderm.
Die verschiedenen Anteile der Zunge haben ihren Ursprung in den Kiemenbögen I-IV, was ihre unterschiedliche sensorische und sensible Versorgung erklärt.
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Klinik
Zungenveränderungen sind vielfältig und während es eine Reihe von Veränderungen ohne Krankheitswert gibt, können andere Veränderungen ein Hinweis auf eine zugrunde liegende systemische Erkrankung sein. So tritt beispielsweise eine glatte, glänzende, rote, sogenannte Lackzunge bei Patienten mit Leberzirrhose auf.
Bei schwerem Vitamin B12-Mangel (perniziöser Anämie) leiden Patienten oft unter einer sogenannten Hunter-Glossitis. Dabei kommt es zur Atrophie der Zungenpapillen. Die Zunge ist glatt, gerötet und brennt.
Eine Himbeer- oder Erdbeerzunge tritt bei Scharlach und dem Kawasaki-Syndrom auf und ist gekennzeichnet durch stark gerötete und hervortretende Zungenpapillen.
Eine übermäßig vergrößerte Zunge (Makroglossie) kann entweder angeboren (Trisomie 21) oder im Rahmen eines Angioödems, Myxödems oder Akromegalie erworben sein. Klinisch präsentiert diese sich durch eine kloßige Sprache.
Ein pelziger, weißer Belag auf der Zunge, der sogenannte Zungensoor, deutet auf eine Infektion mit dem Hefepilz Candida hin.
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Kim Bengochea, Regis University, Denver